Das ist Liebe!
Die Discokugel reflektierte Lichter in alle Richtungen und sorgte für großartige optische Effekte, als sie durch Jimmy DiFrenzos Brusthaar flimmerten. Er war ziemlich stolz auf seine Brustbehaarung. Es war Teil seiner Kultur, stolz auf seine Brustbehaarung zu sein.
Ansonsten war er nicht besonders schön. Er sah nicht wie aus Stein gemeißelt aus, wie etwa Rudy Valentino oder Antonio Sabato Jr. Einer, bei dem die Frauen reihenweise in Ohnmacht fielen, der aber auch ein stiller Verführer sein konnte.
Nein, er sah eher aus wie ein James-Gandolfini-Stereotyp: etwa 1,88 m groß, grob geschätzt 115 kg. Er wusste, dass er auch enden würde, wie der große Gandolfini, wenn er weiteraß, wie bisher. Aber hey, er liebte sein Gabagool einfach über alles. Oder Spaghetti mit Fleischbällchen. Und Pasta Fazool. Und Kuchen. Ich denke, Sie verstehen meinen Punkt. Es war nicht so, dass er kein gutaussehender Typ wäre. Doch doch, auf seine Art war er das. Es war allerdings schwer, die Leute bei seinem Erscheinungsbild davon zu überzeugen, dass er kein Mafia-Mitglied war. Ich meine, natürlich war er das. Genaugenommen war er sogar der Mafiaboss; Ich meine nur, dass er diesen Umstand auch nicht verbergen konnte.
Üblicherweise zog er sich sehr schick an und trug Armani-Anzüge. Doch wenn es Zeit war, die gemütlichen vier Wände seines Büros zu verlassen und sich auf die Tanzfläche seines eigenen Nachtclubs – Stella – zu schwingen, schlüpfte er in ein Paar Jeans und warf sich ein nur halb zugeknöpftes Hemd über, sodass sein wunderbares Brusthaar wie trockene Blätter im Wind rascheln konnte. Er trug außerdem eine Goldkette, die sowohl seine Brustbehaarung als auch seine erwähnten italienischen Wurzeln noch weiter betonte.
Im Club Stella war er praktisch jeden Tag; auf die Tanzfläche verschlug es ihn aber nur in einigen Nächten. Die meiste Zeit verbrachte er im Hinterzimmer, wo er las oder andere geschäftliche Dinge erledigte. Die meisten seiner Geschäfte liefen nicht gerade gut. Das Stella war jedoch die Hülle eines weitaus lukrativeren Geschäftsmodells mit weniger Steuerlast. Offensichtlich. Jede gute Mafia-Bande hatte gleich mehrere legale Firmen am Laufen: Wäschereien, Restaurants, Nachtclubs, Auftragskiller, Clowns für Kindergeburtstage und so weiter.
Ein Mafiaboss ohne ein Geschäft, hinter dem er sich verstecken kann, ist wie ein randvoll mit Drogen beladener Güterzug, der eine wunderschöne Mexikanerin überfährt, die Selma Hayek erstaunlich ähnlich sieht. Sie verstehen nicht, was das bedeutet? Jimmy schon.
Er wurde oft für einen Bären gehalten. Nein, kein echter Bär. Es wäre auch ziemlich komisch, würde ein echter Bär durch den Club ziehen. Denken Sie doch mal nach! Er war haarig, groß und (zumindest behaupten das einige) irgendwie knuddelig. Manchmal baggerten ihn auch andere Männer an.
Er hatte etwas Ironisches an sich, wie die meisten Männer, die zum Typ „Bär“ zählten. Wie Freddy Mercury oder Rob Halfort. Da Stella kein Schwulenclub war, passierte es nicht allzu oft, dass er angemacht wurde. Aber es passierte. Oft genug. Und wenn es passierte, echauffierte er sich, als wäre es eine Beleidigung. In Wirklichkeit fühlte er sich geehrt. Er hatte noch nie etwas mit einem anderen Mann; er war einfach nicht so einer. Außer bei Joe.
Fast jedes Mafiamitglied, insbesondere die Dons, hatten einen kleinen Geliebten. Ein Don ohne Geliebten war wie ein Mann mit Glatze, der Kleingeld aufhebt. Deshalb schockierte es Jimmy regelrecht, dass seine Frau Charlene nichts ahnte. Es bestand die Möglichkeit, dass sie sich der Möglichkeit bewusst war, sich aber entschied, es besser nie anzusprechen. Doch er bezweifelte es. Charlenes Vater war Don Figarazzi. Der Don der überaus bekannten Figarazzi-Familie. Witzigerweise lautete sein Vorname wirklich Don.
Wie dem auch sei. Als Don in das Alter kam, in dem er befand, „zu alt für den Scheiß“ zu sein, überließ er Jimmy das Ruder. Denn leider hatte Don Figarazzi keine eigenen Söhne. Deshalb entschied er sich, dem Mann seiner Tochter Charlene den Job zu überlassen. Dadurch konnte sein Enkel – Jimmys Sohn – in seine Fußstapfen treten, sobald er alt genug war. Das wiederum erfreute einige andere Familienmitglieder nicht besonders, vor allem seinen Bruder Don, seinen Neffen Donald, die drei Cousins, Don, Don und Timmy. Doch Don blieb bei seiner Entscheidung.
Jimmys Schwiegervater wusste, dass Jimmy seiner Tochter fremdging; es störte ihn nicht besonders. Was ihn jedoch störte, war Charlene: Er wusste, dass sie Jimmy kastrieren würde, sollte sie davon erfahren. Außerdem würde sie alles daran setzen, ihren Vater davon zu überzeugen, ihn aus seiner Position zu entlassen. Obwohl Jimmy der Don war, war Don noch immer der Don der Dons. Und es gab etliche Familienmitglieder der Figarazzis, die sich um den Job reißen würden.
Don Figarazzi würde Jimmy allerdings umbringen, wenn er wüsste, mit wem er Charlene betrog: mit seinem besten Freund Joe. Innerhalb der Mafia ist Homosexualität verpönt und gilt als Zeichen von Schwäche. Einige Italiener bezeichnen einen Homosexuellen abschätzig als Fanook – und Jimmy durfte definitiv keiner von ihnen sein. Naja, gut, ganz so sicher war sich Joe da eigentlich nicht. Aber wer war er, womögliche Verleumdungen in den Raum zu stellen? Joe war sein Capo, sein bester Freund, und manchmal auch sein Liebhaber. Das machte ihn noch lange nicht schwul, oder?
Oder?
Na also. Joe hatte Jimmy also den Allerwertesten gerettet. Joe hatte seinen Hund gepflegt, als er krank war. Joe hatte ihm ein Dach über dem Kopf geboten, als er die Army verließ und nicht wusste, wohin mit sich. Joe rettete Jimmys Mutter aus einem brennenden Haus. Gemeinsam eröffneten Joe und Jimmy ihren ersten eigenen Hot-Dog-Stand. Damals, als sie noch junge Typen in Brooklyn waren. Joe hatte ihm die Lottozahlen vorausgesagt. Joe schenkte ihm Traubenschorle, als er Durst auf ein fruchtiges Getränk mit Kohlensäure hatte. Vielleicht wissen Sie das alles schon, ich bin mir nicht sicher, was Jimmy Ihnen bereits erzählt hat. Heute Nacht jedenfalls haben Sie im Badezimmer erneut eine Nummer geschoben. Nein, nicht wieder die Lottozahlen. Was ich sagen will – Jimmy hat sich von Joe schön einen blasen lassen. Oh, das hätte ich nicht erklären müssen? Sie haben bereits den Kontext verstanden? Mein Fehler.
Wie dem auch sei, genug von Joe. Der Abend im Stella war in vollem Gange, doch Jimmy hatte noch einiges seines Papierkrams zu erledigen, bevor er nach Hause gehen konnte.
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